Schreiben gegen das Würgen

Es ist ein seltsames, menschliches Phänomen, daß es mit der Geduld vorbei ist, je näher ein ersehntes Ereigniss rückt. Ein ferner, fast unerreichbarer Wunsch mobilisiert die heilenden Kräfte der Geduld, der stillen Zuversicht, des Wartenkönnens, doch je näher, je realer, je sicherer die Erfüllung eines Wunsches in Reichweite kommt, desto quälender wird plötzlich das Dasein, und desto stärker brechen alle Mankos, alle Sehnsüchte, alle Enttäuschungen, alle Bitterniss und Wut, alle ungelebten, weil auf das Gleis der sich mühsam erkämpften Demut geschobenen, dringenden Wünsche, wieder über einen herein.
Man spürt, daß das Leben einen wieder in seine Mitte ziehen will, und gerät in Panik. Man hatte sich in einen einigermassen kuscheligen Platz inmitten Leid und Schmerz eingeschaukelt, man hat sich daran gewöhnt, damit so gut wie allein zu sein, man fand das irgendwann fast normal, man war sogar stolz, so gut damit fertigwerden zu können, und plötzlich, wo man zu ahnen beginnt, was für eine Freiheit einen da draussen erwartet, wo man sich erinnert, wie es ist, sich gesund fühlen zu können, steigt plötzlich eine unglaubliche Wut hoch, weil einem plötzlich klar wird, daß man hätte wesentlich weniger leiden müssen, hätte man ein paar mehr mitfühlende Menschen an seiner Seite gehabt.
Dieses Hätte-Hätte-Wenn ist an sich ein müßig Ding, und ich empfinde es auch als völlig unnötig, irgendjemandem konkret im Nachhinein irgendwelche Vorwürfe zu machen,
was ich damit sagen will, ist, daß mich diese 1 1/2 Jahre (und es ist noch nicht vorbei!), von Grund auf verändert und für den weiteren Rest meines Lebens geprägt haben. Meine Sicht der Dinge hat sich verändert, vertieft, vereinfacht, verkompliziert, Gedankenlosigkeit hat sich in Verständniss verwandelt, Ahnungen in Gewissheiten, Realität ist in eine andere Dimension eingetreten.
Ich werde nie mehr wegsehen können, wenn jemand leidet. Ich werde viel, viel dankbarer für Gesundheit sein, als zuvor, aber ich werde mich nie wieder unsterblich fühlen.
In dem, was mir selbst in der langen Zeit des Krankseins so sehr gefehlt hat, kann ich sehen, was uns allen fehlt, was wir alle so nötig brauchen, was uns das Leben und unsere eigene Realität leichter machen könnte, wenn alle nur ein bißchen über ihren Tellerrand lugen könnten.
Über meine Wut, meine Bitterkeit und Enttäuschung muss ich selber hinwegkommen, ich tue es gerade: Das Schreiben tut mir gut!
Ich habe eine so lange Zeit fast alle meine Wünsche unterdrückt, sogar zum Teil aufgegeben, ich habe meine Gefühle kontrolliert, betäubt, verloren, gemässigt, und nun kommen sie alle wieder, alle auf einmal, wie das bei mir halt so üblich ist.
Mone kommt mal wieder in eine Überreizung.
Die Energie, die ich für die Erhaltung eines einigermassen erträglichen seelischen und mentalen Zustands, die Bewahrung meiner Contenance und der Verteidigung meiner eigenen Wahrnehmung aufbringen musste, wird jetzt frei, ich merke es an der steigenden Intensität meiner Schönheitswahrnehmung, es ist, als hätte ich in mir plötzlich noch mehr Platz für die Schönheit gewonnen, mehr Speicherplatz, und als seien meine Rezeptoren feiner geworden, nachdem die von altem Müll gereinigt worden sind, und der Himmel hat mir diesen Herbst geschickt, damit seine Schönheit mich heile.
Und da draussen so schön die Sonne scheint, und ich mich wieder ein bisschen ins Gleichgewicht geschrieben habe, schnapp ich jetzt mich, Brasky, und mein magisches Auge, und gehe in Schönheit.

Euch einen sonnigen Sonntag!!!
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Rössle - 2018/05/31 19:35
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NeonWilderness - 2018/05/31 19:32
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Rössle - 2018/05/31 19:28
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